Machtverzicht sei die hohe Kunst der Führung, heißt es derzeit bei Joe Biden.
Die Königsdisziplin der Führung ist für mich das Trennungsgespräch. Ich habe es als Führungskraft aus der Perspektive der Betroffenen erlebt und als Berater von meinen Kandidatinnen haarsträubende Geschichten dazu gehört.
Dass es in Unternehmen und Organisationen immer wieder zu Trennungen kommt, ist Realität. Das wissen alle Unternehmen, auch die, die viel mit dem Thema „Wir sind eine Familie“ arbeiten. Aber wie Trennungsgespräche für alle Beteiligten wertschätzend geführt werden können, ist nach meiner Erfahrung für viele Führungskräfte "unbekanntes Land".
Jeder Betroffene reagiert anders. Wer mich kennt, weiß, dass ich früher in solchen Situationen in den Angriffsmodus geschaltet habe. Als es mich traf, habe ich die ersten Anzeichen, die auf eine Trennung hindeuteten, im Vorfeld erkannt und konnte und habe mich intensiv darauf vorbereitet; mein Name fehlte in keinem Organigramm!
In der Beratung erlebe ich immer wieder, dass die Betroffenen die Anzeichen im Vorfeld erst im Nachhinein zu deuten wussten.
Als es dann so weit war, erlebte ich zum ersten Mal, dass Menschen, mit denen ich jahrelang vertrauensvoll zusammengearbeitet hatte, versuchten, mich mit Argumenten unter der Gürtellinie zu treffen. Es fielen Sätze wie: „Weißt du... Wenn du das jetzt nicht machst, dann..., dann sehen wir uns mal deine Spesenabrechnungen der letzten Jahre an...“. Ich merkte, dass diese Argumente aus Hilflosigkeit geboren waren, denn einen Kündigungsgrund gab es nicht, ich war in der stärkeren Position. Was mir dann auch gerichtlich bestätigt wurde.
Zwei Dinge habe ich daraus gelernt:
1. Der Betroffene ist in der „stärkeren“ Position, weil er grundsätzlich nicht reagieren oder gar etwas unterschreiben muss. Und wenn solche Maßnahmen schlecht bis gar nicht vorbereitet sind, eine Kündigung weder aus betriebsbedingten noch aus verhaltens- oder personenbedingten Gründen möglich ist, geht es nur über Fairness und "Begegnung" auf Augenhöhe.
2. Die Führungskraft ist gut beraten, sich sorgfältig auf das Trennungsgespräch und den folgenden Prozess vorzubereiten. Dies setzt aber voraus, dass die Führungskraft auch die Kraft zur Führung hat. Führung hat zwei Seiten: Zum einen will sie mit den ihr anvertrauten Menschen Strategien umsetzen und Ziele erreichen, um den Ertrag des Unternehmens zu sichern. Und zweitens, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern und damit auch die dafür notwendige Personalstruktur, dann muss die Führungskraft die Kraft haben, nicht nur die Auswahl der Betroffenen zu treffen, sondern auch die Umsetzung des Prozesses wertschätzend zu gestalten. Dazu braucht es Mut, Kraft und Herz. Wir alle sind keine Maschinen, auch wenn das manche Führungskräfte suggerieren.
Eine Führungskraft, die ich bei ihrer beruflichen Neuorientierung beraten habe, erzählte mir folgenden Gesprächsverlauf:
„Mein Vorgesetzter saß vor mir, verzog keine Miene und erklärte mir in fünf Punkten:
1. Ich sei draußen,
2. es gäbe keine Zukunft
3. Danke für die Zusammenarbeit
4. ich solle den Aufhebungsvertrag unterschreiben
5. sonst werde ich rausgeschmissen“.
Mir gefror das Blut in den Adern und ich spürte, wie ich blass wurde. Mit diesem Menschen hatte ich schwierige Situationen gemeistert, Erfolge und Betriebsfeste gefeiert und jetzt wirkte er auf mich kalt wie eine Hundeschnauze. Ich beschloss, das wird er büßen...!"
Diese und ähnliche Reaktionen sind aus meiner Sicht Ausdruck von Unsicherheit und/oder Angst. In einem von mir durchgeführten Training "Wertschätzende Trennungsgespräche führen" sagte eine Führungskraft zu mir: „Was mache ich, wenn die Person anfängt zu schreien oder zu weinen? Ich bin doch nicht sein Prellbock oder seine Amme“. Natürlich nicht! Ich wundere mich, dass Verletzlichkeit und Empathie so "schief" geschrieben werden. Ich muss weder mein Herz noch meine Gefühle auf der Zunge tragen. Aber als Führungskraft bin ich Mensch, kann mitfühlen (nicht mitleiden), "Kill the job, not the person!" Deshalb wird von einer Führungskraft - insbesondere auch von den Verbleibenden - erwartet, dass sie einen solchen Prozess professionell und wertschätzend durchführt.
Wir sind alle Menschen und wollen auch so wahrgenommen werden. Als Führungskraft war ich selbst einmal Mitarbeiter und weiß daher, wie ich als Mitarbeiter behandelt werden möchte. Und wenn ich die Führungskräfte selbst frage, bekomme ich oft die gleiche Antwort. Und trotzdem vergessen sie es, wenn sie selbst solche Gespräche führen.
Auch mir als Führungskraft sind solche Gespräche nie leicht gefallen. Aber ich habe mich gut darauf vorbereitet, indem ich darüber nachgedacht habe:
1. Wie fühle ich mich in diesem Prozess?
2. Stehe ich hinter der Entscheidung? Oft wird gesagt: „Es ist so entschieden, ich verkünde die Entscheidung. Mit diesem Argument „Das ist eine Entkoppelung der Führungskraft von der Entscheidung. Aus meiner Sicht fehlt diesen Führungskräften die Kraft zur Führung!
Wenn ich nicht einverstanden bin, spreche ich mit meiner Führungskraft. Wenn es dabei bleibt, kommuniziere ich es als Führungsentscheidung, hinter der ich auch stehe, d.h. dass ich die Konsequenz - die Führungsstärke - mittrage. Wenn ich das nicht kann, sollte ich mir die Frage stellen, ob die Position die richtige für mich ist!
3. Um mich auf das Gespräch vorzubereiten, spiele ich alle möglichen Reaktionen der Person durch, am besten mit Hilfe kompetenter Personen aus dem Personalbereich, denn ich weiß: Jeder Mensch reagiert in der Regel negativ auf eine solche Nachricht. Und wenn ich auf alles vorbereitet bin, kann mich nichts überraschen, weder Wut noch Tränen noch Schock.
Tipp: Wer sofort fragt: „Was bekomme ich?“, von dem weiß ich, dass er schon etwas Neues hat oder kurz vor einem neuen Vertragsabschluss steht.
4. Ich habe alle Eckdaten: Dauer der Betriebszugehörigkeit, genaue Position, Familienstand, Alter etc.
Dann kann ich auch gut in so ein Gespräch gehen, gerne auch mit einem Personaler, weil der dann, wenn es um Details geht, wie Urlaubsansprüche und und und..., weil ich nicht zu allen Themen auskunftsfähig bin, aber in Kombination mit Personal schon. Das Argument, dass das eine ungleiche Situation für den Betroffenen ist, ist nicht zutreffend, wenn das Gespräch wertschätzend und gut vorbereitet ist. Dann fällt es allen Beteiligten leichter, mit Emotionen angemessen umzugehen.
Unvorbereitet in ein solches Gespräch zu gehen, wird von den Betroffenen als persönliche Missachtung empfunden, weil Fragen nicht beantwortet werden können, Unsicherheiten spürbar sind und die Betroffenen das Gefühl bekommen: „Du bist überflüssig, halt die Klappe und geh! Am besten ohne nachzufragen oder gar Forderungen zu stellen“.
Die daraus resultierenden Verletzungen spiegeln sich dann eindrucksvoll in den nachfolgenden gerichtlichen Auseinandersetzungen und der Höhe der Abfindungsansprüche wider. Denn hier geht es im Wesentlichen um die Wiedergutmachung der erlittenen Kränkung.
Führungskräfte, die sich gewissenhaft vorbereiten und mit Herzblut in diese Gespräche gehen - was nicht bedeutet, Mitleid zu bekunden, den Krankenwärter zu spielen oder gar Hilfsangebote zu machen - wissen, dass ihnen Menschen gegenübersitzen, mit denen sie erfolgreich zusammengearbeitet haben und die nun aufgrund der Rahmenbedingungen zu diesem Schritt gezwungen sind. Wenn das Unternehmen diesen Menschen helfen oder sie unterstützen will, gibt es das Instrument des Outplacement/NewPlacement, so dass sie in der Regel ein halbes Jahr später eine adäquate neue Position haben.
Das Trennungsgespräch bleibt die Königsdisziplin der Führung, die nicht nur Professionalität, sondern auch Menschlichkeit erfordert. Wer einmal auf beiden Seiten eines solchen Gesprächs gesessen hat, weiß, wie tief die emotionalen Narben sein können und wie wichtig es ist, diesen Prozess mit Respekt und Einfühlungsvermögen zu gestalten. Deshalb lohnt es sich, im Vorfeld ein Training zum Thema „Wertschätzende Trennungsgespräche führen“ zu absolvieren.
Und wenn es mir wichtig ist, dass die Betroffenen schnell eine adäquate neue Stelle antreten können, dann integriere ich eine Out-/NewPlacement-Beratung in den Aufhebungsvertrag. Das spart Zeit, Geld und ist eine Investition in die Bindung der Verbleibenden, die den Trennungsprozess sehr intensiv begleiten.
Nur wer gut vorbereitet ist, schafft die „100 Meter“ unter 10 Sekunden!
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